Eine Anleitung zum Pilzesammeln
WO FINDET MAN PILZE?
Den bunten Wald vor Augen, den Geruch von Erde und Pilzen in der Nase, das Rascheln des Laubes in den Ohren: Pilze sammeln wird immer populärer. Während in früheren Jahren die Waldparkplätze meist von älteren Herrschaften - ausgestattet mit Funktionshose und Wanderschuhen - bevölkert waren, die sonntäglich mit Korb und Pilzführer durch die Wälder streiften, staksen heute immer mehr urbane Städter mit hippen Bärten und coolen Sneakern durch das Dickicht und frönen ihrer neuen Leidenschaft: dem Pilze sammeln. Dabei wird eifrig über den Strubbelkopf, den violetten Lacktrichterling, den Goldröhrling und Igelstäublingen oder gar dem letzten Sensationsfund, der fetten Henne sinniert.
Der Pilzsammler an sich ist zutiefst illoyal. Er teilt nur ungern seine geheimen Sammelgründe. Wem das Glück nicht vergönnt ist, einer Familie anzugehören, in der der beste Pilz-Spot von Generation zu Generation vererbt und wie ein Familienschatz gehütet wird, der findet hier eine kleine Anleitung zur „Pilzjagd“.
Vorweg sei an die alte Ehrenregel von Pilzsammlern erinnert, die besten Pilzgründe nicht preiszugeben. Hier sind also keine exakten Geodaten auf Bundesebene zu erwarten. Aber keine Sorge: Mit einem Smartphone, etwas Geduld und Grundwissen kann jeder seinen eigenen Geheimspot finden, den er dann hüten kann, wie ein Schatz.
STANDORTE MIT HILFE EINER DIGITALEN APP BESTIMMEN:
Pilzsammler orientieren sich zunächst am Baumbestand, denn Pilze sind gigantische Gebilde, die unter der Erde in Symbiose mit den Bäumen leben. Mit einer „Karten App“ lassen sich Erreichbarkeit und Walbestände von zu Hause aus prüfen. Bei maximalem Zoom im Satellitenmodus ist die Bepflanzung zu erkennen. Nutzwälder (meist Fichte oder Kiefer) sind sehr gradlinig in regelmäßigen Reihen angelegt. Mischwälder hingegen stehen ungeordneter im Raum. Die Böden lassen sich teilweise auch bestimmen: Sandflächen stechen zum Beispiel hell hervor. In Mischwäldern gibt es meist eine größere Vielfalt an Pilzen zu entdecken, als in einem Wald, der mit einer Monokultur bewirtschaftet wird. Dennoch lohnt sich die Suche auch hier: besonders Steinpilze und Maronen lieben diese angelegten und oftmals eintönigen Wälder.
Um Pilze zu finden, muss man übrigens nicht unbedingt tief ins Unterholz kriechen. Viele Pilze mögen sonnige, lichte Standorte und wachsen besonders gut auf Sand- und Heideflächen oder an Waldrändern. Mit ein wenig Erfahrung bekommt man schnell ein Auge dafür, wo die begehrten Fruchtkörper am ehesten sprießen könnten. In feuchten, bemoosten Mulden und Hängen oder an Baumstümpfen ist die Erfolgschance größer als auf ausgetrockneten Waldböden mitten im Wald.
Wälder gibt es zuhauf, und Pilze sind genug für alle da, wenn sie einmal spriessen. Dennoch lohnt es sich, einen weiteren Weg in Kauf zu nehmen und fernab der bewohnten Gegenden zu suchen, denn nichts frustriert den Pilzsammler mehr, als nur noch die letzten Überreste eines frisch abgeschnittenen Prachtexemplars zu finden, weil zuvor schon anderen Sammler an Ort und Stelle waren. Gleichzeitig ist fast nichts schöner als ein ausgedehnter Sammeltag, der mit einem bunt gefüllten Korb Pilze gekrönt wird. Warum also nicht gleich einen ausgedehnten Ausflug einplanen und ein bisschen abseits der Zivilisation in die Natur gehen?
Dabei ist das Sammeln in Naturschutzgebieten und Nationalparks natürlich tabu. Im Wald darf sich zwar laut Forstgesetz von 1975 jedermann zu Erholungszwecken aufhalten, Verbotsschilder aber gilt es zu respektieren, und ohnehin steht der Respekt vor der Natur, den Tieren und den Bewohnern der Region an oberster Stelle.
PILZE LEBEN IN SYMBIOSE MIT BÄUMEN
Jeder Pilz lebt in Symbiose mit einem bestimmten Baum. Bei einigen Arten weist schon der Name den Weg. So wurden viele Sorten nach ihren Lebenspartnern benannt: Der Birkenröhrling kommt neben Birken vor, der Fichtensteinpilz wächst neben Fichten, die Eichenrotkappe häufig unter Eichen – aber auch unter Buchen und Linden. Zu genau nehmen es die Pilze also auch nicht, beziehungsweise wurden einige Namen vielleicht etwas vorschnell vergeben. Zwar wächst der Fichtensteinpilz gerne unter Fichten, daneben aber auch unter Kiefern und im Mischwald. Maronen sind neben dem Nadelwald auch im Laubwald auffindbar.
Einige Pilze, wie die Krause Glucke, wachsen jedoch immer am gleichen Ort: sie wächst parasitär am Stamm oder der Wurzel der Kiefer und ist sonst nirgens zu finden. Beim Sammeln lohnt es sich also, den Blick vom Boden zu heben und auch die Stämme einmal gezielt abzusuchen. Die leuchtend hellgelben, großen Fruchtkörper, die an überdimensionierte Badeschwämme erinnern, stechen meist schon von Weitem ins Auge. Steinpilze wiederum wachsen oft sehr versteckt unter den herabhängenden Zweigen von Nadelbäumen – hier muss man akribisch sein und etwas genauer schauen. Dazu gehört dann auch, Zweige anzuheben und unter den ein oder anderen Ast zu schauen.
Im Wald findet jeder Sammler seine eigenen Strategie und den dazu gehörigen Blickwinkel. Einige Leute bevorzugen es, den Fokus vor die eigenen Füsse zu lenken, andere schauen eher mit Weitsicht ein paar Meter weiter- beides hat seinen Reiz und führt zu unterschiedlichen aber erfolgreichen Pilzfunden.
EIN PILZ STEHT SELTEN ALLEINE IM WALD
Pilze sind gigantische Gebilde unter der Erde, oft mehrere Quadratkilometer groß, von denen man nur die Spitze sehen kann: die Fruchtkörper, die man bei Sammeln erntet. Ein Pilz ist also „nur“ die Frucht eines grossen Geflechts, das unterirdisch verläuft. Wenn man einen Fund macht, stehen die Chancen gut, dass in direkter Nachbarschaft eine weitere Frucht des gleichen Myzels gewachsen ist. Es lohnt sich außerdem nach einigen Tagen oder Wochen an den bereits bekannten – und ertragreichen – Stellen erneut zu suchen, an denen man fündig wurde, da sich eventuell weitere Fruchtkörper aus dem gleichen Myzel gebildet haben. „Alle Jahre wieder“, dies gilt auch bei Pilzen, die häufig Jahr für Jahr wiederkehrend in denselben Arealen wachsen. Daher empfiehlt es sich, den Fundort auf einer Karte oder per Geotagging zu markieren.
Witterung
Pilze sind sensible Wesen, sie mögen es weder zu trocken, noch zu kalt. Am liebsten mögen sie die Kombination aus Feuchtigkeit und Wärme – nach ein paar regnerischen Spätsommer- bzw. warmen Herbsttagen stehen die Chancen besonders gut, einen bunt gefüllten Korb aus dem Wald zu tragen. Bei Regen lässt man die Pilze in Ruhe, denn die gefundenen Exemplare werden schnell matschig, kleben aneinander und es besteht die Gefahr, dass sie schnell Schimmel ansetzen und damit ungenießbar werden.
Jahreszeit
Pilzsaison ist eigentlich das ganze Jahr. Aber die Fruchtkörper der gängigsten und am häufigsten vorkommenden Speisepilze sprießen besonders in einem feuchten und warmen Sommer bzw. Herbst aus der Erde. Je nach Witterung und Niederschlag beginnt die „Mainstream“- Pilzsaison in Deutschland zwischen Juni und Juli und hält bis zum ersten Bodenfrost an. Einige Pilze wie die Speisemorchel wachsen schon im Frühling, andere brauchen sogar Frost. Man kann aber sagen, daß die Hauptsammelzeit vor allem im Spätsommer und in den Herbstmonaten statt findet.
DIE WICHTIGSTEN WALDTYPEN UND IHRE BEGLEITER
Fichtenwälder
Fichtenmonokulturen prägen in einigen Regionen Deutschlands und Europas das Landschaftsbild. Sie sind oft schattig und neigen durch die abgelagerte Nadelstreu zu starker Oberbodenversäuerung. Es gibt aber eine Reihe von Pilzen, die in genau diesem, recht eintönigen Biotop in großen Stückzahlen zu finden sind: vor allem Pfifferlinge, Steinpilze und Maronenröhrlinge sind hier heimisch. Wenn der Boden zudem lehmig ist, wächst in den Fichtenwälern der gemeine Riesenschirmling – auch Parasolpilz genannt – ,vor allem an Waldrändern und lichten Stellen. Neben den essbaren Arten treten hier allerdings auch Fliegenpilze und tödlich giftige Knollenblätterpilze häufig auf. Es empfiehlt sich also, die Suche auf Röhrlinge zu konzentrieren, wenn kein ausgewiesener Experte zur Hand ist.
Kiefernwälder
Die Kiefer ist in der Lage, nährstoffarme Standorte zu erschließen. Daher finden sich Kiefernwälder oft auf sauren Sandböden wieder. Diese Standorte sind sehr ergiebig für zahlreiche Großpilze. Ähnlich dem Fichtenwald kommen hier häufig Steinpilze, Maronenröhrlinge und Pfifferlinge vor. Außerdem gibt es oft Sand- und Kuhröhrlinge in rauen Mengen. Der Ringlose Butterpilz und der Körnchenröhrling sind ebenfalls im Kiefernwald – allerdings eher auf kalkhaltigem Boden – anzutreffen. Am Stamm alter Kiefern schmarotzt häufig die Krause Glucke, ein sehr ergiebiger und wohlschmeckender Speisepilz.
Eichenwälder
Eichenwälder bieten eine Vielfalt an Pflanzen und Tieren und sind ein guter Standort für verschiedene Pilzarten. Der Sommersteinpilz ist hier schon früh im Jahr zu finden, außerdem findet man häufig Filzröhrlinge, die auch als Ziegenlippe bekannt sind. Doch auch die giftigen Knollenblätterpilze wachsen hier, deshalb gilt einmal mehr: besser Vorsicht als Nachsicht!
Edelkastanienwälder
Kastanienwälder sind Eichenwäldern sehr ähnlich und bringen fast die gleichen Pilzarten hervor. Oft wurden Kastanienwälder an klimatisch begünstigten Stellen angepflanzt, bei günstiger Witterung lassen sich dort ausgesprochene Raritäten finden, wie z.B. den Schwarzen Steinpilz und den sehr seltenen Kaiserling. Diese sporadischen Gäste aus dem Mittelmeerraum sind leider aufgrund des Mangels an geeigneten Biotopen sehr selten geworden und bedürfen der Schonung, daher gilt: gerne ein Foto machen aber stehen lassen!
Buchenwälder auf sauren Boden
Buchenwälder zählen zu den artenreichsten Biotopen für Großpilze. Es gedeihen hier vor allem Buchensteinpilze, Pfifferlinge, flockenstielige Hexenröhrlinge, vereinzelt Maronen, sowie zahlreiche Täublingsarten wie z.B. Frauen- oder Speisetäubling. An alten Buchenstümpfen finden sich häufig Stockschwämmchen oder Austernseitlinge. Die Seitlinge kann man relativ bedenkenlos (mit Pilzbestimmungsbuch, bitte! ) sammeln.
Auf Muschelkalkuntergrund ist die Artenvielfalt des Buchenwaldes noch üppiger, oft sind diese Wälder jedoch stark mit Unkraut überwuchert. An lichten Stellen, an denen kein Unterholz wächst, wachsen oft seltene und spektakuläre Arten, daher wird Geduld und Müßiggang hier oft belohnt.
Äcker und Wiesen
Durch die Intensivierung der Landwirtschaft und Überdüngung breiten sich diese Biotope und die dazugehörigen Pilze stark aus. Riesenbovisten siedeln sich gern auf überdüngten Äckern und Wiesen an. Zudem sind häufig Champignonarten zu finden – hier gilt allerdings Vorsicht, da eine besonders große Verwechslungsgefahr mit z.B. dem weißen Knollenblätterpilz besteht. Der Parasolpilz hingegen ist leicht zu bestimmen und wächst häufig auf Wiesen und an Waldrändern auf lehmigem Boden.
Parks
Wer keine Zeit hat, aus der Stadt herauszufahren oder seine Mittagspause mit einer Pilzsuche verbringen möchte, der kann durch die städtischen Parks streifen. Allerdings sollte vorher geklärt werden, ob die Grünflächen mit Pestiziden behandelt worden sind. Am besten sucht man an Stellen, die nicht direkt neben einer befahrenen Straße liegen, da Pilze mit Schadstoffen belastet sein können. Stimmen alle Parameter, findet man je nach Baumbestand in Stadtparks die unterschiedlichsten Pilzarten, von Wiesenchampignons über Parasole bis hin zu Steinpilzen.